• Waldorfschulen stehen allen Kindern offen – unabhängig von Religion, Nationalität und Einkommen der Eltern.
  • Mit ihrem ganzheitlichen Ansatz beginnt die Waldorfpädagogik im Kindergarten.
  • Die Methode des Lehrens und die Lerninhalte richten sich nach den Entwicklungsphasen der Kinder und Jugendlichen.
  • Waldorfschulen sind weder staatlichen Planungen noch Wirtschaftsinteressen verpflichtet.
  • Waldorfschulen wollen die Fähigkeiten der Kinder entwickeln. Sie treffen keine Auslese. Es gibt kein Sitzenbleiben, wohl aber individuelle Leistungsanforderungen.
  • Die Schulzeit an der Waldorfschule ist der Teil der Biografie, in dem lebenslanges Lernen angelegt wird.
  • Waldorfschulen sind keine Weltanschauungsschulen.
  • Im Wesen der Waldorfpädagogik liegt begründet, dass sie sich stets weiterentwickelt.
  • Lehrer und Eltern arbeiten im Sinne einer gemeinsamen Erziehung eng zusammen.
  • Der Waldorf-Lehrplan orientiert sich an den Entwicklungsstufen der Schüler und ermöglicht es, die Kinder in einer festen Klassengemeinschaft durch zwölf Schuljahre hindurchzuführen.
  • Geistige, seelische und körperliche Fähigkeiten werden dem jeweiligen Alter entsprechend ausgebildet.
  • Unsere Lehrer sind bestrebt, intellektuelle, kreative, künstlerische, praktische und soziale Fähigkeiten in gleicher Weise zu entwickeln: Kopf, Herz und Hand werden gleichgewichtig angesprochen.
  • Die Vielfalt der Fächer vermittelt den Kindern und Jugendlichen eine breite Allgemeinbildung.
  • Waldorflehrerinnen und –lehrer begleiten die Schüler über eine möglichst lange Zeit, um sie aus der Kenntnis ihrer individuellen Entwicklung heraus fördern zu können.
  • Therapeutische und lernfördernde Maßnahmen helfen im Einzelfall.

Die Waldorfschule will

  • Fähigkeiten und Kenntnisse auf breiter Grundlage entwickeln, so dass die jungen Menschen den sich wandelnden Anforderungen der Gesellschaft und der spezialisierten Berufswelt gewachsen sind.
  • Initiativkraft und Verantwortung gegenüber den Mitmenschen und der Umwelt wecken und schulen.
  • die Schüler anleiten und ermutigen, individuell zu urteilen und selbstbestimmt zu handeln.

Unterstufe

1. bis 4. Klasse

Das Verhältnis zur Welt ist gemüthaft, die Kinder lernen unter anderem noch durch Nachahmung. Daher haben das Spielen, Singen, Malen sowie Märchen, Legenden und Geschichten eine große Bedeutung im Unterricht. Die Kinder sind aufgeschlossen für das Schöne, Gute und Geistige in der Welt. Sie wollen sich an der natürlichen Autorität der Erwachsenen orientieren.

Dem Bewegungsdrang in der 1. und 2. Klasse versucht die Schule durch die Einrichtung des Klassenraumes gerecht zu werden. Statt Stühlen und Tischen gibt es Bänke und Kissen, die je nach Bedarf arrangiert werden können.

Schreiben, Lesen, Rechnen, zwei Fremdsprachen, Natur- und Sachkunde, Malen, Musik, Eurythmie, Spielturnen und Handarbeit für Jungen und Mädchen werden ab der 1. Klasse unterrichtet. In der 3. Klasse legen die Schüler ein Getreidefeld an, ernten das Korn und backen in der 4. Klasse ihr eigenes Brot. Außerdem beschäftigen sie sich mit dem Handwerk
und bauen unter Anleitung ein kleines Haus.

Mittelstufe

5. bis 8. Klasse

Der Wahrnehmungshorizont der Schüler ist gewachsen. Sie interessieren sich zunehmend für lebenspraktische Fragen. Das Selbermachen und Lernen durch Versuch und Irrtum gewinnt an Bedeutung. Die Welt der Erwachsenen wird auf ihre Regeln und Wahrhaftigkeit geprüft. Der Lehrer muss mit seiner Persönlichkeit und seinem Weltinteresse den Schülern Orientierung bieten.

Neue Fächer sind Werken und Gartenbau ab der 6. Klasse. Im Naturkundeunterricht werden zusätzlich zur Physik und Chemie Gesteins- und Himmelskunde behandelt.

Oberstufe

9. bis 12. bzw. 13. Klasse

Die Schüler entwickeln mehr und mehr Fähigkeiten zum abstrakten Denken. Sie wollen die Zusammenhänge in Natur und Gesellschaft gedanklich durchdringen und dabei ihren eigenen Standpunkt finden und zu behaupten lernen. Bei den Lehrern ist deren Fachautorität von zunehmender Bedeutung.

Zusätzlich zu den bisher genannten Fächern werden Zeichnen und Malerei, künstlerisches Gestalten mit Ton, Holz und Stein, Tischlern, Kupfertreiben, Schmieden und Buchbinden angeboten.
Die Schüler werden auf den Waldorfabschluss und auf die Prüfungen für den Ersten Allgemeinen Schulabschluss, den Mittleren Schulabschluss, die Fachhochschulreife und das Abitur vorbereitet.

Was den Menschen vor allen anderen Lebewesen auszeichnet sind seine Hände, mit denen er gestaltend in der Welt tätig sein kann. Seine Hände zu gebrauchen entspricht einem inneren Bedürfnis. Säuglinge greifen nach allem, was in ihr Blickfeld gerät. So lernen sie ihre Umgebung begreifend kennen. Es ist daher kein Wunder, dass die Hirnareale, die beim Gebrauch unserer Hände aktiv sind, jenen entsprechen, die für das Begreifen und Verstehen zuständig sind.
Diese inzwischen auch naturwissenschaftlich belegte Tatsache ist einer der Gründe dafür, dass unsere Schüler ab der 1. Klasse Unterricht in Handarbeit und Flöten haben.

Darüber hinaus verschafft jede sinnvolle Tätigkeit unmittelbar Befriedigung und trägt so zu einer guten Lernatmosphäre bei.
Außer in den Fächern Werken, Handarbeit und Gartenbau wird Praktisches auch sonst so weit wie möglich in den Unterricht integriert.

Eine wichtige Rolle spielen in diesem Zusammenhang auch die in der Oberstufe durchgeführten Praktika.
So können die Schüler ihre geometrischen Kenntnisse im Vermessungs-Praktikum anwenden und vertiefen. Im Sozialpraktikum erhalten sie wertvolle Einblicke in die Lebensbedingungen hilfebedürftiger Menschen und können an diesen Erfahrungen reifen. Die Praktika im Handwerk und in der Landwirtschaft schließlich ermöglichen die Anwendung des schulischen Lernstoffs auf die Realität des Wirtschaftslebens. Nicht selten entwickeln sich dabei Perspektiven für zukünftige Ausbildungsplätze.

Musik, Theater, bildende Kunst und Eurythmie als Bewegungskunst spielen an der Waldorfschule eine wichtige Rolle.
Jede künstlerische Betätigung trägt ihren Lohn in sich selbst: sie macht unmittelbar Freude und ist für die Schüler eine willkommene Erfrischung im Unterrichtsalltag. Darüber hinaus besteht ein positiver Einfluss auf den Erfolg in den so genannten Lernfächern. Durch Erfahrung und statistische Untersuchungen vielfach belegt, konnte dieser Zusammenhang für die Gebiete Musik und Sprache jüngst auch durch Hirnforscher des Max-Planck-Instituts für Kognitionswissenschaft in Leipzig nachgewiesen werden. Vor allem aber kann die Kunst das ganze Leben bereichern, ihm Tiefe und Sinnerfüllung geben, wenn im Kindesalter ein Fundament dafür angelegt worden ist.

Unsere Schule bietet dafür viele Möglichkeiten. Von der 1. bis zur 12. Klasse haben die Schüler Unterricht in Eurythmie. Hier werden anspruchsvolle Musik und Poesie in Bewegung umgesetzt und auf diese Weise bewegt erlebt. Auch Instrumentalunterricht beginnt mit der Flöte oder der Kinderharfe in der 1. Klasse. Unter-, Mittel- und Oberstufenchor bieten Gelegenheit zum gemeinsamen Singen und in zwei Orchestern können Mittel- und Oberstufenschüler gemeinsam musizieren.

So wie in jedem Menschen ein Künstler schlummert, so gehören auch religiöse Empfindungen zu seiner Konstitution. Wenn Lehrer das im Bewusstsein haben, dann können mit jedem Stoff auch Ehrfurcht vor der Schöpfung und Freude an ihrer Schönheit angeregt werden. Auch dies ist ein wichtiges Anliegen der Waldorfpädagogik. Man erlebt ja in der Gegenwart weniger einen Mangel an Wissen als einen Mangel an gelebten Werten. Zu den natürlichen Kraftquellen eines lebenstüchtigen und lebensbejahenden Menschen gehören Religion, Kunst und Wissenschaft gleichermaßen. In diesem Sinne soll der Unterricht an der Waldorfschule durchaus auch ganzheitlich sein.

Klassenlehrer und Hauptunterricht

Unsere Klassenlehrerinnen und –lehrer begleiten ihre Klasse in der Regel von der 1. bis zur 8. Klasse und unterrichten im Hauptunterricht so gut wie alle Fächer – außer Fremdsprachen, Sport, Eurythmie, Musik, Religion und handwerkliche Fächer wie Werken, Gartenbau und Handarbeit. Die Schüler erleben auf diese Weise bis zum anbrechenden Jugendalter Kontinuität und Verlässlichkeit. Die gewohnte Umgebung und die vertraute Bezugsperson können in dieser Zeit eine wertvolle Stütze für die kindliche Entwicklung sein.

Der Hauptunterricht umfasst täglich die ersten beiden Stunden. In ihnen behandelt der Klassenlehrer ein Stoffgebiet in Epochen über mehrere Wochen hinweg. Unsere Lehrer bemühen sich, den Unterricht immer lebensnah – nicht abstrakt – zu vermitteln. Lehrer und Schüler erarbeiten und erleben die Lerninhalte künstlerisch: Bewegung, Farbe, Klang und Ton, Melodie, Reim und Rhythmus durchdringen und beleben jedes Thema.

Viele Kinder leiden unter der Reizüberflutung, der sie heute ausgesetzt sind: Vor allem optische und akustische Erfahrungen stürmen ungefiltert auf sie ein und stumpfen ihre feinen Sinne ab. Im Gemüt der Kinder entwickelt sich häufig als Gegenreaktion wachsende Aggressivität.
Deshalb bemühen sich unsere Lehrer, die Schüler Töne, Geräusche, Farben, Düfte und Naturstimmungen in all ihren Feinheiten erleben zu lassen. So können sich die Sinne der Kinder gesund entfalten.

„Schwache Reize wirken auslösend, mäßige Reize entwickeln, starke Reize hemmen, überstarke Reize zerstören.“ (Hugo Kükelhaus)

Nach dem Epochenunterricht in den ersten beiden Stunden eines Schulvormittags folgen in Einzelstunden die Fächer, an denen durchgehend gearbeitet und geübt wird: Von der ersten Klasse an sind das zwei Fremdsprachen – an unserer Schule Englisch und Französisch – , Musik, Eurythmie, Turnen, Religion und die Übstunden in Rechnen und Deutsch.

Die praktischen, handwerklichen und künstlerischen Fächer werden in Doppelstunden ein, zwei oder drei Mal in der Woche unterrichtet. Während im Hauptunterricht meist die ganze Klasse gemeinsam unterrichtet wird, werden die Klassen im Fachunterricht zwei- oder dreigeteilt.

Schon in der ersten Klasse werden an unserer Schule zwei Fremdsprachen – Englisch und Französisch – unterrichtet. In diesem Alter fällt es den Kindern leicht, sich in eine fremde Sprache einzufühlen: Indem sie Verse und Reime nachsprechen und in Märchenspiele eintauchen, erleben sie die Sprache als reines Lautgeschehen in Tonfall, Musikalität und Rhythmus. Auf eine wörtliche Übersetzung verzichten die Waldorflehrer deshalb zunächst. Die Schüler lernen hörend, spielend, sprechend und singend und schulen ihr Ohr für fremde Laute.
Etwa ab der 4. Klasse entwickelt sich daraus dann der gezielte Aufbau der Grammatik und des Wortschatzes. Der Schwerpunkt liegt nun auf dem Erwerb sprachlicher Strukturen und kommunikativer Kompetenzen im gemeinsamen Unterrichtsgespräch.

In der Oberstufe greifen die Sprachlehrer überwiegend auf Originaltexte ausländischer Autoren zurück, um daran die individuelle Sprech- und Schreibfertigkeit zu schulen.
Für die Oberstufe wurde an unserer Schule mit dem Schuljahr 2012/13 ein Modulsystem eingeführt, das das bis dahin praktizierte Modell der Differenzierung in zwei Leistungsgruppen ab Klasse 9 oder 10 ablöst. Die Einstufung der Schüler in den Klassen 10 – 12 erfolgt klassenübergreifend in sechs bzw. fünf Niveaugruppen pro Sprache und richtet sich nach der jeweiligen Jahresleistung und den Ergebnissen halbjährlicher detaillierter Einstufungstests.
Jeder Schüler wird zum Halbjahr bzw. zum Schuljahresende um ein Niveau aufrücken, wenn er die Kursziele erreicht hat; ansonsten wiederholt er es im zweiten Halbjahr. Schüler, die von Anfang an im obersten Niveau sind, werden mit zusätzlichen anspruchsvollen Aufgaben weiter gefordert und gefördert.

Der naturwissenschaftliche Unterricht an der Waldorfschule beginnt mit der Biologie in der 3. Klasse, in der 6. Klasse kommt Physik hinzu und in der 7. Klasse Chemie.

Durch den phänomenologischen Ansatz in den naturwissenschaftlichen Fächern können die Schüler die Erscheinungen im Experiment oder an der Natur selbst erleben.
In der Oberstufe werden die in der Unter- und Mittelstufe erlebnismäßig angelegten Erfahrungen gedanklich weiter geordnet und in ihrer Gesetzlichkeit erfasst.

Jetzt haben die naturwissenschaftlichen Fächer mehr und mehr die Aufgabe, die sich entwickelnden Urteilskräfte der Schüler anzusprechen und das möglichst eigenständige Erkennen von Zusammenhängen zu fördern.

Die Schüler begegnen den konkreten naturwissenschaftlichen Phänomenen – nicht rein gedanklichen Konstruktionen – und leiten entsprechende Gesetzmäßigkeiten aus der direkten Anschauung ab.

Immer häufiger finden sich die Jugendlichen nun zu Gruppenarbeiten zusammen und führen, zum Beispiel in Physik, eigenständig Versuche durch. Die Schüler lernen sich gegenseitig zu ergänzen und durch Abstrahieren die entsprechenden Naturgesetze zu erschließen.

Ab der 11. Klasse erleben sie Wert und Grenzen modellhafter Erklärungsmuster. Sie machen die Erfahrung, dass Modelle die Wirklichkeit nicht erschöpfend darstellen können.

Während der ganzen Schulzeit bemühen sich die Waldorflehrer, ihren Schülern den Zusammenhang aller Lebensbereiche mit den Naturwissenschaften nahe zu bringen. So setzen sie die Zoologie und Botanik mit der Anthropologie in Beziehung. Sie verbinden die Naturkunde mit Geografie und Geschichte. Es werden Zusammenhänge zwischen Chemie und Ernährung, zwischen Physik, industriellen Herstellungsverfahren, Ökologie und anderen Bereichen ergründet.

Noten

Noten werden in der Unter- und Mittelstufe der Waldorfschule nicht erteilt. Dies bedeutet aber keineswegs, dass Waldorflehrer Fehler – zum Beispiel in Klassenarbeiten – nicht korrigieren. Unsere Lehrer lassen es jedoch nicht bei dürren Noten bewenden, sondern zeigen in kürzeren oder ausführlicheren Würdigungen die individuellen Stärken und Schwächen der Arbeiten auf.

Zeugnisse

In den Zeugnissen am Schuljahresende – es gibt keine Halbjahreszeugnisse – fassen unsere Lehrer die Entwicklungen, die sie während des vergangenen Schuljahres beobachten konnten, in ausführlichen Beschreibungen zusammen. Auf Leistungen, Stärken, Schwächen und Möglichkeiten gehen sie differenziert ein. Bei den staatlichen Abschlüssen– Hauptschul-, Realschulabschluss und Abitur – werden die üblichen Notenzeugnisse erteilt.
Abgesehen vom Übergang von der 12. in die Abiturklasse ist das Versetztwerden nicht an bestimmte Leistungsstandards und Zeugnisnoten gebunden, denn die Waldorfpädagogik orientiert sich nicht am Wissensstand, sondern an den altersgemäßen Entwicklungsstufen der Kinder und Jugendlichen.

Abschlüsse

Das eigenständige Konzept der Waldorfschulen umfasst 12 Schuljahre. Es bietet vielseitige Grundlagen für die unterschiedlichsten Berufsausbildungen und Spezialisierungen.
Am Ende der 12. Klasse machen die Schüler ihren Waldorfabschluss. Er besteht darin, dass die Schüler eine Jahresarbeit anfertigen und in einer öffentlichen Veranstaltung präsentieren, ein Musik- und ein Eurythmieprojekt vorstellen und ein Theaterstück aufführen. Außerdem findet in einer historisch bedeutsamen Stätte im Ausland ein Kunstprojekt statt. Die Leistungen in den einzelnen Fächern werden im Abschlusszeugnis dokumentiert.
Der Erste Allgemeine Schulabschluss kann nach der 10. Klasse oder später abgelegt werden, der Mittlere Schulabschluss nach der 12. Klasse. Ein großer Teil der Schüler – etwa 40 % aller Schüler an Schleswig-Holsteinischen Waldorfschulen – ergreift die Möglichkeit, nach der 13. Klasse das Abitur abzulegen.
Welche Abschlussprüfung sinnvoll angestrebt wird, ergibt sich aus Gesprächen zwischen Schülern, Eltern und Lehrern.

In der Oberstufe erweitern verschiedene Praktika, die den Fachunterricht nun ergänzen, das Unterrichtsangebot. Sie sollen die altersgemäßen Entwicklungsschritte der jungen Menschen fördern und schaffen die Grundlage für eine lebenspraktische Ausbildung.

Die Praktika der 9. und 10. Klasse im Handwerk und in der Landwirtschaft ermöglichen die Anwendung des schulischen Lernstoffs auf die Realität des Wirtschaftslebens. In der 10. Klasse können die Schüler ihre geometrischen Kenntnisse im Vermessungs-Praktikum anwenden und vertiefen. Wertvolle Einblicke in die Lebensbedingungen hilfebedürftiger Menschen lassen die Schüler im Sozialpraktikum der 11. Klasse durch eindrucksvolle Erfahrungen reifen.

Nicht selten entwickeln sich dabei Perspektiven für zukünftige Ausbildungsplätze.

Das Landbaupraktikum findet an der Waldorfschule Kaltenkirchen gleich nach den Sommerferien zu Beginn des 9. Schuljahres statt. Es handelt sich um eine außerhalb der Schule stattfindende Epoche mit lebenskundlichem Inhalt.
Während dieser Epoche befinden sich die Schüler und Schülerinnen auf ausgesuchten landwirtschaftlichen Betrieben, nach Möglichkeit aus dem Demeter- oder Bioland-Verband, die sich nicht in unmittelbarer Nähe der Schule befinden. In Einzelfällen kommen Höfe im Ausland in Betracht sowie Betriebe, die im weiteren Sinn mit der Nahrungsmittelherstellung befasst sind. Die Schule sucht diese Betriebe aus.
Betreut und vorbereitet wird das Praktikum durch den Gartenbau-Lehrer, der die Schülerinnen und Schüler bereits von der 6. bis zur 8. Klasse im Fach Gartenbau unterrichtet hat.
Die Höfe ermöglichen den Schülern die Mitarbeit bei verschiedenen üblicherweise anfallenden Tätigkeiten. Die Arbeiten und auch die Arbeitszeiten können von Betrieb zu Betrieb ganz unterschiedlich sein.
Je zwei – in Ausnahmefällen ein oder drei Schüler – verbringen im Idealfall die ganzen vier Wochen auf dem Betrieb; leben, wohnen und arbeiten dort.
Sie fertigen zum Abschluss des Praktikums ein Epochenberichtsheft an und geben in kurzen Referaten an Berichtsabenden vor Eltern, Lehrern und zukünftigen Neuntklässlern einen Einblick in ihre Erfahrungen und Erlebnisse auf den Betrieben.

Das Landbaupraktikum ist Teil des Lehrplans an den Waldorfschulen.
Den heranwachsenden jungen Menschen soll schon während der Schulzeit Gelegenheit gegeben werden, der wirklichen Arbeitswelt in möglichst wenig entfremdeter Form zu begegnen und sich in dieser zu bewähren.
Die Schüler sollen den Bauernhof als Organismus einschließlich der sozialen Bedingungen, des Umgangs mit Menschen, Tieren und Maschinen erkennen. Der Beginn der Nahrungsmittel-Urproduktion soll ihnen nahe gebracht werden.
Das Landbaupraktikum findet bewusst zu Beginn der 9. Klasse statt, da gerade nach der Reifezeit Erfahrungen und Erlebnisse in konkreten Arbeitsvorgängen von großer Wichtigkeit sind.
Ein intensives Eintauchen in das Leben eines Bauernhofes soll möglich werden, da in diesem Altersabschnitt besonders stark die Fragen nach allen Lebensvorgängen erwachen. Alle aktuellen Lebensfragen werden in diesem Alter neu gestellt und beschäftigen die Schüler stärker als je zuvor.
Auch die für die meisten Praktikanten ungewohnte, harte Arbeit und lange Arbeitszeit passt in diesen Lebensabschnitt hinein. Das Bedürfnis, die Körperkraft voll einzusetzen und den Willen und die eigenen Grenzen zu erproben ist hier aktuell und erfährt eine starke Herausforderung und Bestätigung.
Die vier Wochen des Praktikums bieten überdies die Möglichkeit, in einem neuen sozialen Umfeld die eigene Rolle zu verlassen und sich neu wahrgenommen zu fühlen.
In vielerlei Hinsicht gereift gehen die 9.-Klässler aus diesem Praktikum hervor.

Zu Beginn der 10. Klasse nehmen die Schüler einen anderen, objektiveren Standpunkt der Welt gegenüber ein. Im 10- bis 14- tägigen Feldmesspraktikum erfassen sie ein Stück der Welt und stellen dieses kartographisch dar.

Grundlage des Praktikums ist eine Mathematikepoche zur Trigonometrie, in der die Schüler lernen, Dreiecke aufgrund ihrer Winkel- und Längenverhältnisse zu berechnen.
Die hier angeeigneten theoretischen Fähigkeiten können jetzt zur praktischen Anwendung gelangen und gefestigt werden. Dazu wird die Klasse in Gruppen eingeteilt, in denen möglichst ein ausgewogenes Verhältnis zwischen mathematischen, handwerklichen, sozialen und künstlerischen Fähigkeiten herrschen sollte.

Je nach den Gegebenheiten des Geländes vermessen die Gruppen mit Hilfe bestimmter Vermessungstechniken Teile des Messbereichs und übertragen die Messwerte in eine Karte.
Am Ende werden dann die Karten aller Einzelgruppen zu einer Gesamtkarte des kompletten Gebiets vereint. Somit trägt jeder einzelne Schüler zum Ergebnis seiner Teilgruppe und zum Ergebnis der gesamten Klasse bei.

Zum Erreichen dieses Ziels sind Willenskräfte, Durchhaltevermögen und Teamfähigkeit in einer sozialen Gemeinschaft gefordert. Die Schüler stecken ihre Grenzen sowohl im Fachlichen als auch im Sozialen selbst ab und werden sich der Notwendigkeit des gemeinschaftlichen Handelns bewusst. Abermalige Fehlmessungen oder falsche Berechnungen bringen die Schüler oft an Grenzen, die durch analytisches Denken und Überdenken des eigenen Handelns überwunden werden müssen.
Diese Grenzen gibt hier nicht der Unterricht oder das alltägliche Leben vor, sondern eine konkret gestellte Aufgabe. Es ist jetzt der Auftrag eines jeden Schülers sich ganz in den Dienst der Aufgabe zu stellen und bei Problemen ( notwendige Nachmessungen oder Wiederholung von schon durchgeführten Berechnungen… ) entsprechende Konsequenzen zu ziehen.

Auf einem abschließenden Elternabend kann sich dann jeder einen umfassenden Eindruck von dem Ergebnis der Messungen und den gewonnenen Erkenntnissen der Schüler verschaffen.

Spezielle Kompetenzen:

  • mit den Augen schätzen und frei zeichnen (Übersichtsskizze erstellen)
  • Längen mit dem Schrittmaß und Winkel mit dem Kompass erfassen
  • mit optischen Präzisionsgeräten zur Vermessung (Theodolit, Nivelliergerät, Winkelspiegel, Libelle, Messlatten etc.) sicher umgehen
  • verschiedene Verfahren der genauen Längenmessung mit Messinstrumenten lernen
  • möglichst genaues Erfassen und Protokollieren der Winkel mit dem Theodolit
  • verschiedene Verfahren der Koordinierung lernen (plus Übertragung in Detailkarte)
  • mit Hilfe des Nivelliergerätes Höhenmessungen durchführen
  • alle Informationen in die Karte maßstabsgetreu einzeichnen
  • Karte generalisieren und künstlerisch gestalten
  • den Prozess der Vermessung als Gemeinschaftsprojekt unter verschiedenen Aspekten (Genauigkeit, Übersicht, Verwendbarkeit etc.) beurteilen

In der 11. Klasse, wenn die Lebensphase der Pubertät abgeschlossen ist und die Wahrnehmung der äußeren Welt wieder größeren Raum einnimmt, soll nun der Blick auf die Lebenssituation anderer – alter, behinderter, kranker – Menschen gerichtet werden. Das Sozialpraktikum bietet den Schülern die Gelegenheit, sich bedürftigen Menschen zuzuwenden. Dies erfordert vor allem die Fähigkeit und das Bemühen, die eigenen Interessen zurückzustellen, sich auf völlig neue Erfahrungen einzulassen und sich wahrnehmend und helfend den Mitmenschen zu widmen.

Das Praktikum im sozialen Erfahrungsfeld bietet den Jugendlichen die Entfaltungsmöglichkeiten eines neuen Bewusstseins. Sie nehmen Teil an der gemeinsamen Gestaltung des menschlich-gesellschaftlichen Lebens und erleben die Bedeutung des individuellen Seins für Leben und Entwicklung anderer Menschen. Einfühlungsvermögen, Verantwortungsbewusstsein und situationsgerechtes Handeln werden im sozialen Bereich erprobt, ungewohnte Situationen müssen bewältigt werden.
Die Dauer des Sozialpraktikums beträgt drei Wochen. Es wird in Einrichtungen wie z.B. Krankenhäusern, Pflegeheimen, heilpädagogischen Tagesstätten, integrierten Kindergärten absolviert. Ein 8-Stunden-Arbeitstag wird angestrebt. Die Schule unterhält langfristige Beziehungen zu ausgesuchten Einrichtungen. Praktikumsbetreuer ist eine Lehrkraft als Ansprechpartner für die Einrichtungen. Dieser informiert Schüler und Eltern jährlich vor Antritt des Praktikums über Ziele und Inhalte und verteilt die Schüler auf die jeweils geeigneten Praktikumsplätze in Zusammenarbeit mit dem Klassenbetreuer.
Die Klasse lebt außerhalb der Schule und fern der häuslichen Umgebung auf einem Campingplatz gemeinsam mit zwei Betreuern. An unserer Schule ist es bereits „Tradition“, dass die Schüler hierfür auf einen bestimmten Campingplatz nach Hannover fahren.
Frühstück und Abendbrot werden in der Gemeinschaft zubereitet und eingenommen, das Mittagessen wird in der Regel in den Einrichtungen geboten.
Die Betreuung der Klasse während des Praktikums obliegt an erster Stelle dem Klassenbetreuer. Praktikums- und Klassenbetreuer besuchen die Schüler an ihren Einsatzstellen und überprüfen, ob sie im Sinne der Konzeption des Sozialpraktikums eingesetzt sind.
Das Zusammenleben ermöglicht einen täglichen Erfahrungsaustausch. Um einen Bericht anfertigen zu können, führen die Schüler Erinnerungsprotokolle oder Tagebücher über ihre Arbeit, Eindrücke und Erfahrungen.

Warum Hannover? Warum zelten?

Durch das Leben auf dem Campingplatz wird das soziale Element der Klasse und die Erlebnisintensität verstärkt. Für die Betreuer ist eine unmittelbare Wahrnehmung der Schüler und ihrer Befindlichkeit gegeben. Den Schülern ermöglicht das „Herausgenommensein“ aus Familie, Freundeskreis und gewohntem Alltag in der ruhigen, reizarmen Atmosphäre des Campingplatzes eine sehr intensive Erfahrung innerhalb des Praktikums. Eine sofortige Austauschmöglichkeit mit den Betreuungslehrern gewährleistet eine schnelle Klärung eventueller Konflikte mit den Praktikumsstellen oder ihrer Arbeit. In einer allabendlichen Gesprächsrunde, in der auf bereits reflektiertem Niveau aus den Erfahrungen berichtet wird, ist auch Raum für Fragen wie „Sterben und Tod“, „Leben mit Behinderungen“ etc. Ein ständiger privater Austausch mit den Mitschülern auf dem Heimweg, beim Essen und in der Freizeit relativiert bzw. verstärkt die eigenen Erfahrungen.
Der Vorteil für den Praktikumsbetreuer ist der, dass vorbereitende organisatorische Arbeiten bereits geleistet sind. Das Konzept bewährt sich seit 2005 und es gibt durchweg positive Erfahrungen mit den Praktikumsstellen und ihren Betreuern.
Bei allen Vorteilen werden die Wetterabhängigkeit und manche Unbequemlichkeit gern in Kauf genommen.

Das bewegte Klassenzimmer

Lernen ganz ohne Tische – wie geht denn das?

Im Sommer 2005 startete unsere damalige 1. Klasse mit dem sogenannten Bochumer Modell – dem mobilen Klassenzimmer, mit dem seither in den Klassen 1 bis 4 gearbeitet wird. Die Waldorfpädagogik legt in der Unterstufe besonderen Wert auf die Entwicklung und Stärkung der vier Sinne Tastsinn, Lebenssinn, Bewegungssinn und Gleichgewichtssinn, die für eine gesunde körperliche, seelische und geistige Entwicklung unabdingbar ist. Um diesem Anspruch im Unterricht gerecht zu werden, sollte im Klassenzimmer Raum geschaffen werden. Ein mit Tischen und Stühlen vollgestellter Klassenraum im herkömmlichen Sinne bietet diese Voraussetzung eher nicht. Das mobile Klassenzimmer ist daher in Klasse 1 und 2 mit stabilen Holzbänkchen und festen Sitzkissen eingerichtet. Je zwei Schüler teilen sich eine Bank. Bei allen schriftlichen Arbeiten und beim Malen dienen die Bänkchen als Tische, die Kinder knien oder sitzen dann auf den Kissen. Ab dem 3. Schuljahr werden die Bänke durch klappbare, leicht zu verstauende Tische ergänzt.

Mühelos können die Kinder die handlichen Bänkchen zu einem Kreis aufbauen – dann ergibt sich in der Mitte ein großzügiges Forum. Es lassen sich rasch und zwanglos kleine und größere Arbeitsgruppen bilden, indem sich mit den Bänkchen Gruppentische verschiedener Größen unterschiedlich im Raum platziert aufbauen lassen. Im Weiteren ergibt sich die Möglichkeit, die entstandenen Arbeiten im Forum für alle sichtbar zu präsentieren.
Durch das große Platzangebot bietet sich täglich während der rhythmischen Arbeit für alle Kinder einer Klasse die Möglichkeit, gleichzeitig aktiv zu sein. Dabei ist jederzeit ein zwangloser Übergang vom Sitzen in die körperliche Bewegung und umgekehrt gegeben. Es ergibt sich eine Fülle von Übungsmöglichkeiten.

Die Entwicklung sozialer Fähigkeiten wird durch die Arbeit im Kreis in außerordentlich effektiver Weise gefördert. Der Kreis bietet jedem Kind die Möglichkeit, alle anderen Kinder während des Unterrichts zu sehen (und nicht nur deren Rücken). So wird ein wirkliches Gespräch möglich, denn Körperhaltung, Gestik und Mimik der Gesprächspartner können wahrgenommen werden.

 

Die Kunstreise

Die Kunstreise ist neben dem Klassenspiel, der Jahresarbeit sowie dem Eurythmie – und Musikabschluss Bestandteil des fünfgliedrigen Waldorfabschlusses. Dieser Abschluss ist von seinem Wesen als ein künstlerischer angelegt und stellt die selbstständige Arbeit der Schüler am (vorläufigen) Ende ihrer Schulzeit in den Mittelpunkt.

Die Reise findet an unserer Schule zum Ende des 12. Schuljahres statt und soll das intensive Eintauchen in die Kultur eines Landes – in unserem Falle schon seit vielen Jahren Italien – ermöglichen. Als letzte gemeinsame Unternehmung im alten Klassenverband, in dem sich die Schüler zum Teil schon seit dem Kindergarten kennen, kommt der Reise auch als Abschlussfahrt eine besondere soziale Funktion zu.

Nach verschiedenen Reisezielen der Vergangenheit, haben unsere Schüler mit ihren beiden Kunstlehrern nun schon seit fünf Jahren ein „festes Domizil“ in einem alten Chalet mitten in der Toskana, das sich seit dem 16. Jahrhundert im Familienbesitz befindet. Mit ihrem kulturellen und geschichtlichem Reichtum, der wunderbaren Landschaft und dem milden mediterranen Klima hält die Toskana geradezu ideale Bedingungen für die Kunstreise bereit. Das Programm der zehntägigen Reise setzt sich aus einem ca. sechstägigen Aufenthalt in der „Villa“ mit praktischer Arbeit wie Zeichnen, Malen, Land Art, Filmprojekten und einem Besuch der „Ewigen Stadt“ Rom zusammen, bei dem die Schüler sowohl bei gemeinsamen Besichtigungen historisch interessanter Stätten wie z.B. des Forum Romanum, der Vatikanischen Museen und des Petersdomes sowie einer frühchristlichen Katakombe als auch für sich die Gelegenheit haben, diese einzigartige Stadt kennen zu lernen. Sowohl der Aufenthalt in der Villa, bei dem die Vorbereitung der Mahlzeiten und alle anderen anfallenden Aufgaben von eingeteilten Schülergruppen übernommen werden, als auch der Aufenthalt in Rom werden von Schülerreferaten begleitet, die vor Antritt der Fahrt in schriftlicher Form anzufertigen sind.

Schon viele dieser gemeinsamen Fahrten haben unsere Kunstkollegen mit immer wieder neuen Klassen unternommen und immer wieder waren sich nach der Ankunft auf dem Hamburger Flughafen alle einig: Es war eine tolle Kunstreise und ein unvergessliches Erlebnis!

Musik lebt in uns allen und will herausgelockt und zum Klingen gebracht werden. Und das wollen wir gemeinsam tun. So geht es neben der Ausbildung der persönlichen musikalischen Fähigkeiten vor allem um das soziale Miteinander. Aufeinander hören und lernen, sich auszudrücken, sind wertvolle Eigenschaften für eine gelungene Kommunikation. Die Waldorfschule Kaltenkirchen bietet hierfür ein vielfältiges Angebot.

Die Schüler erhalten von der ersten Klasse an Musikunterricht, in dem über das gemeinsame Musizieren hinaus die theoretischen Grundlagen der Musik erlernt werden.

Bereits in der 1. Klasse beginnen die Kinder mit dem Erlernen eines gemeinsamen Instrumentes. Je nach Entscheidung des Klassenlehrers ist dies die pentatonische Kinderharfe oder Flöte.
Können die Kinder hier noch ganz in den Strom der schwebenden Melodien eintauchen, kommen sie mit der Einführung der C-Flöte im Laufe der 3. Klasse langsam auf die Erde und mit ihnen die Musik.

Der Unterstufenchor bietet den Kindern der 3. – 5. Klasse die Möglichkeit, einen großen Klangraum zu erleben, in dem sie sich als Teil erfahren dürfen. Die Jüngeren werden von den „Großen“ mitgetragen und gewinnen zunehmend Sicherheit im Halten der eigenen Stimme.

Ab der 5. bzw. 6. Klasse (je nach den jeweiligen Fähigkeiten am Instrument), steigen die Kinder in das Mittelstufenorchester und Gitarrenensemble ein oder singen, wenn sie kein Instrument erlernt haben, im Mittelstufenchor.

Einmal wöchentlich üben die Schüler, ihre eigene Stimme zu verfolgen und gleichzeitig die Ohren für das vielstimmige Geschehen drum herum zu öffnen: eine große Herausforderung und gleichzeitig Grundlage für die Entstehung und das Erleben eines gemeinsamen Orchester- bzw. Chorklanges.

Mit dem Eintritt in die Oberstufe gehört der wöchentlich stattfindende Oberstufenchor zum Stundenplan. Hier lernen die Jugendlichen, ihre persönliche Stimme zur Entfaltung zu bringen und – gerade wichtig für die jungen Männer nach dem Stimmbruch – ihre Stimmlage zu finden.

Für die leidenschaftlichen Sänger bietet die Schule eine Chor-AG. Außerhalb der Schulzeit in kleiner Gruppe kann hier intensiv an der Intonation und dem Klang gearbeitet werden.

Einen Teil des Waldorfabschlusses bildet der Musikabschluss in der 12. Klasse. Neben einem gemeinsamen Chor-Programm gibt es den Raum für instrumentale und gesangliche Darbietungen in Solo-Besetzung oder in kleinen Gruppen.

Die Eurythmie ist eine von Rudolf Steiner entwickelte Bewegungskunst, die Sprache und Musik durch Bewegung sichtbar macht als „Laut“- und „Toneurythmie“. Dabei spielt der gute und schöne Rhythmus (eu = griechisch = gut/schön) eine wesentliche Rolle.

Sie ist obligatorisches Unterrichtsfach der Waldorfschule von der ersten bis zur zwölften Klasse und hat die Aufgabe, den Entwicklungsprozessen des Schülers hilfreich zur Seite zu stehen, ihn zu ordnen, zu harmonisieren und einen Ausgleich zu den kognitiven Fächern zu schaffen. Kreativität, Ausdauer, künstlerisches Empfinden und Sozialkompetenz sollen dabei geschult werden.

In der Unterstufe soll sie dem Kind helfen, den eigenen Leib zu ergreifen. In der Mittelstufe stehen Übungen zur Körperbeherrschung und Konzentration sowie das Erüben von sicherer Raumorientierung im Mittelpunkt. In der Oberstufe soll Erlerntes zunehmend selbständig angewandt werden und Gedichte und Musikstücke zu einer differenzierten, künstlerischen Ausarbeitung gebracht werden, die dann in den Eurythmieabschluss gipfeln. Dieser ist fester Bestandteil des Waldorfabschlusses.

Ich lobe den Tanz
denn er befreit den Menschen
von der Schwere der Dinge,
bindet den Vereinzelten
zur Gemeinschaft.

Ich lobe den Tanz,
der alles fordert und fördert
Gesundheit und klaren Geist
und eine beschwingte Seele.

Tanz ist Verwandlung
des Raumes, der Zeit, des Menschen,
der dauernd in Gefahr ist,
zu zerfallen, ganz Hirn,
Wille oder Gefühl zu werden.

Der Tanz dagegen fordert
den ganzen Menschen,
der in seiner Mitte verankert ist,
der nicht besessen ist
von den Begehrlichkeiten
nach Menschen und Dingen
und von der Dämonie
der Verlassenheit im eigenen Ich.

Der Tanz fordert
den befreiten, den schwingenden Menschen
im Gleichgewicht aller Kräfte.

Ich lobe den Tanz.

O Mensch, lerne tanzen,
sonst wissen die Engel
im Himmel mit dir
nichts anzufangen.

Augustinus (354 – 430)

siehe auch WHAT MOVES YOU Kinotrailer

Ausbildung: https://www.youtube.com/watch?v=7cu5ZmQqBMQ

Fragen an die Waldorfschule

1. Wer war Rudolf Steiner und was hat er mit der Waldorfpädagogik zu tun?

Rudolf Steiner (1861–1925) ist der Begründer der Waldorfpädagogik. Emil Molt, Besitzer der Waldorf Astoria Zigarettenfabrik, gründete mit ihm zusammen 1919 die erste Waldorfschule in Stuttgart. Inhalt und Methode der Waldorfpädagogik beruhen auf Rudolf Steiners Erkenntnissen über die Gesetzmäßigkeiten der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Neben der Waldorfpädagogik fanden Rudolf Steiners geisteswissenschaftliche Forschungen auch Eingang in die biologisch-dynamische Landwirtschaft, die Medizin und die Kunst.

2. Muss ein Kind musisch begabt sein, damit es für die Waldorfschule geeignet ist?

Nein, die Waldorfschule ist eine Schule für alle Begabungsrichtungen. Die neuere Hirnforschung hat aber eindrucksvoll belegt, dass Kinder und Jugendliche durch künstlerisches Üben viele Kompetenzen erwerben, die weit über die unmittelbare Tätigkeit hinausreichen. Wenn Waldorfschüler malen, zeichnen, plastizieren oder musizieren, geht es daher vor allem um die Schulung differenzierter Wahrnehmungen und die Entfaltung ihres schöpferischen Potentials; die Begabungen der einzelnen Schüler werden dabei natürlich berücksichtigt. Waldorflehrer sind bestrebt, den Verstand, die Kreativität und die eigenständige Persönlichkeit ihrer Schüler gleichgewichtig zu entwickeln.

3. Ist es nicht so, dass hauptsächlich Kinder mit Lernschwierigkeiten auf eine Waldorfschule gehen?

Nein. Ausdrücklich nein. An Waldorfschulen lernen Kinder aller Begabungsrichtungen wie an staatlichen Regelschulen auch, nur dass hier neben intellektuellen Fähigkeiten gleichgewichtig auch soziale und handwerklich-künstlerische Fähigkeiten gefordert und gefördert werden. Die individuelle Förderung von Kindern mit besonderem Assistenzbedarf ist eine wichtige Säule der Waldorfpädagogik, die entweder in Schulen mit einem inklusiven Konzept oder in heilpädagogischen Förderschulen umgesetzt wird.

4. Ist Waldorfpädagogik nicht so etwas wie das Vorgaukeln einer heilen Welt? Kommen die Schüler später denn überhaupt mit der „harten Realität“ zurecht?

Die Praxis zeigt, dass gerade Waldorfschüler von Ausbildern besonders geschätzt werden. In einer Schule, die nicht nur die intellektuellen Fähigkeiten anspricht, entwickeln sich Schlüsselqualitäten wie Teamfähigkeit, Kreativität und die Fähigkeit, prozessual zu denken, vom ersten Schultag an. Umfangreiche Absolventenstudien zeigen, dass Waldorfschüler in allen Studien- und Berufsfeldern sehr erfolgreich studieren und arbeiten.

5. Die Waldorfschule nennen sich „freie Schulen“. Heißt das, dass die Kinder dort antiautoritär erzogen werden?

Der Begriff „freie Schulen“ bedeutet nicht, dass es keine Regeln gibt, sondern dass diese Schulen eine weitgehende pädagogische Autonomie haben.
Waldorflehrerinnen und –lehrer bauen in der Unterstufe ein von „liebevoller Autorität“ geprägtes Verhältnis zu ihren Schülern auf. Kinder suchen ihre Grenzen. Nur wenn sie Grenzen von Erwachsenen erfahren, fühlen sie sich einerseits sicher und erleben sich andererseits als eigene Persönlichkeit. Im Laufe der Schulzeit wandelt sich das Lehrer-Schüler-Verhältnis immer mehr zu einer umfassenden Lernpartnerschaft.

6. Kann ein Lehrer in allen Fächern überhaupt qualifiziert unterrichten?

Klassenlehrer an einer Waldorfschule decken tatsächlich ein großes Spektrum an Fächern ab. In besonderen Ausbildungswegen, die sie in einem Vollstudium oder postgraduiert im Anschluss an eine wissenschaftliche Ausbildung an einem der Seminare im Bund der Freien Waldorfschulen oder an einer Hochschule mit Waldorfqualifikation durchlaufen, werden sie gezielt darauf vorbereitet. Für Klassen-, Fach- und Oberstufenlehrer gilt gleichermaßen, dass ihre Ausbildung mindestens gleichwertig zur staatlichen Ausbildung sein muss. In der Unter- und Mittelstufe liegt der Schwerpunkt allen Lernens nicht nur auf der Vermittlung reinen Fachwissens, sondern es geht auch darum, den Schülern eine lebendige erfahrungsgesättigte Beziehung zu den Lerninhalten zu ermöglichen. So kann lernen Freude machen – ein Leben lang.

7. Was ist unter Epochenunterricht zu verstehen?

Während der ersten beiden Stunden eines Schulvormittags arbeiten die Schüler über mehrere Wochen intensiv an jeweils einem Fachgebiet. So haben die Schüler zum Beispiel drei Wochen lang jeden Morgen zwei Stunden Mathematik, Deutsch, Geschichte oder ein anderes Hauptfach. Nach einigen Wochen wechselt der Inhalt der Epoche zu einem anderen Thema, sodass die Schüler sich intensiv damit verbinden. Grundfertigkeiten wie Rechnen oder Schreiben festigen die Schüler über den Epochenunterricht hinaus in fortlaufenden Übstunden. Im Anschluss an den Epochenunterricht übernehmen Fachlehrer den Unterricht in Fremdsprachen, Sport, Eurythmie, Religion, Musik und in den handwerklich-künstlerischen Fächern.

8. Werden Kinder an der Waldorfschule weltanschaulich unterrichtet?

Die von Rudolf Steiner entwickelte Anthroposophie ist eine Erkenntnishilfe für die Lehrer, zu keinem Zeitpunkt aber ist sie Gegenstand des Unterrichts. Da die Waldorfschule eine überkonfessionelle Schule ist, entscheiden zunächst die Eltern, welchen Religionsunterricht ihr Kind besuchen soll. Später entscheiden die Jugendlichen das dann selbst.

9. Was hat es mit dem Fach Eurythmie auf sich?

Eurythmie ist eine Bewegungskunst, die an Waldorfschulen in allen Klassen unterrichtet wird. Im Unterschied zu gymnastischen, pantomimischen oder tänzerischen Bewegungen, die völlig frei gestaltet werden können, gibt es in der Eurythmie für jeden Buchstaben und jeden Ton eine ganz bestimmte Gebärde – es handelt sich also um sichtbar gemachte Sprache und Musik. In der Lauteurythmie stellen die Schüler zum Beispiel dar, was in einem Gedicht an Lauten lebt, und in der Toneurythmie, was in den Tonintervallen einer musikalischen Komposition lebt.

Text: aus der Reihe „Blickpunkt“, Broschüre 7, Bund der Freien Waldorfschulen